Im folgenden Text wollen wir uns mit dem Raum aus zweierlei Perspektiven beschäftigen. Aus der Perspektive des Gestalters wollen wir uns zum einen die Frage stellen wie Raum geschaffen wird, während wir uns aus der Perspektive des Geisteswissenschaftlers damit beschäftigen wollen wie Raum analysiert und interpretiert werden kann. Es geht im Folgenden also um Räume die dargestellt werden und um Räume in denen dargestellt wird.
„Die Synthese von sozialen Gütern und Menschen zu Räumen sowie die damit einhergehende Perspektive des oder der Handelnden kann in der wissenschaftlichen Analyse bzw. durch die Reflexivität jedes einzelnen problematisiert werden. In dieser reflexiven Analyse wird jedoch der Konstitutionsprozeß selbst aus einer spezifischen Perspektive analysiert, so daß in der Reflexion selbst neue Räume entstehen. Dieser Konstitutionsprozeß kann wiederum zum Gegenstand kritischer Analyse gemacht werden. Wissenschaft bildet demzufolge nicht die Wirklichkeit des Raums ab, sondern konstruiert Raum erneut, wobei dieser Konstruktionsprozeß selbst zum Gegenstand der Forschung gemacht werden kann.“ (Löw 2001, S.230)
Wir wollen den von Martina Löw, in ihrem Werk ‚Raumsoziologie‘, beschriebene soziologische Raum als Grundlage einer Analyse des Raums aus beide oben genannten Perspektiven heranziehen. Es soll nicht nur um die Analyse des ‚wirklichen‘ Raums gehen, sondern auch um die Abbildung dieser Räume und die damit einhergehende Konstruktion von neuen, virtuellen Räumen. Im speziellen soll dieser Text also die folgenden Punkte leisten:
- Die Erarbeitung der Bühne als zugrundeliegender Raum der Abbildung von Räumen.
- Die Definition eines Frames als Rahmen der zu erfassenden beziehungsdefinierenden Eigenschaften.
- Die Beschreibung eines Datenbankmodells für Bühne und Frame.
Die absolutistische, relativistische und relationale Raumvorstellung.
Löw beschreibt, dass eine große Mehrheit der soziologischen Theorien eine absolutistische Raumvorstellung voraussetzen. Diese absolutistische Raumvorstellung kann so beschrieben werden, dass der Raum als eigenständige Realität darstellt. Er ist da und wir leben in ihm. (vgl. Löw 2001, S.264) Im Gegensatz zu dieser absolutistischen Vorstellung steht eine relativistische Raumvorstellung:
„Während vom absolutistischen Standpunkt aus ein Dualismus angenommen wird, sind realtivistische Traditionen der Auffassung, daß Raum die Struktur der relativen Lage der Körper bildet.“ (Löw 2001, S. 269)
Die relativistische Raumvorstellung geht also davon aus, dass Raum keine eigenständige Realität darstellt, sondern von den Objekten und deren Beziehung zueinander erst geschaffen wird. Somit kann ein einzelnes Objekt nicht mehr als im Raum befindlich beschrieben werden, da der Raum erst durch die Beziehung dieses Objekts mit einem weiteren Objekt konstituiert wird. Löw geht nun allerdings noch einen Schritt weiter und definiert eine relationale Raumvorstellung.
„Meine These ist, daß nur wenn nicht länger zwei verschiedene Realitäten – auf der einen Seite der Raum, auf der anderen die sozialen Güter, Menschen und ihr Handeln – unterstellt werden, sondern statt dessen Raum aus der Struktur der Menschen und sozialen Güter heraus abgeleitet wird, nur dann können die Veränderungen der Raumphänomene erfaßt werden. (…) Die Analyse des Prozesses geht jedoch, da nicht nur die Beziehungsgefüge, sondern auch die angeordneten sozialen Güter und Menschen berücksichtigt werden, über eine relativistische Perspektive hinaus. Das Ergebnis ist ein relationaler Raumbegriff.“ (Löw 2001, S. 264)
Da Löw nun in ihrer Raumsoziologie mit dieser relationalen Raumvorstellung arbeitet, eignet sich ihre theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema sehr gut als Grundlage der Visualisierung von ebenfalls relational erfassten Akteur-Netzwerken, wie sie Bruno Latour beschreibt.
Von der Konstitution von Raum durch Spacing & Synthese und der sich daraus ergebenden Definitionen von Frame und Bühne des konstituierten Raums.
Martina Löw beschreibt im letzten Kapitel ihrer ‚Raumsoziologie‘ die Konstitution von Raum als Prozess der Synthese und des Spacings:
„Raum wird konstituiert als Synthese von sozialen Gütern, anderen Menschen und Orten (…), aber auch im Spacing durch Platzierung (…) jener Güter und Menschen an Orten in Relation zu anderen Gütern und Menschen.“ (Löw 2001, S.263)
Spacing ist nach Löw das in Relation setzen von Menschen und Gütern durch deren spezifische Platzierung zueinander: „Raum ist eine relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen (Lebewesen) an Orten.“ (Löw 2001, S.224) Diese Platzierung benötigt einen Ort, der nach Löw Ziel und Resultat der Platzierung ist und eine konkret benennbare, meist geografisch markierte Stelle ist. (vgl. Löw 2001, S.224)
Aus diesem Konzept der Relationierung durch Platzierung ergibt sich, als beziehungsdefinierende Eigenschaft des sozialen Objekts im Raum der Ort.
„Raum kann nicht mit einem Ort gleichgesetzt werden, weil somit ein komplexer Prozeß auf einen Aspekt, nämlich den Lokalisiert-Sein an einem Ort, reduziert und die Konstitution verschiedener Räume am gleichen Ort ausgeschlossen wird.“ (Löw 2001, S. 270)
Dieser Ort kann im Gegensatz zum Raum durch ein Koordinatensystem definiert werden – allerdings nur in Bezug auf ein zugrundeliegendes Bezugssystem. Ein solches Bezugssystem muss aus zwei Aspekten bestehen: Zum einen wird ein bestimmtes Objekt beziehungsweiße ein bestimmter Ort eines übergeordneten Systems benötigt, welches der Notwendigkeit eines Koordinatenursprungs, eines Nullpunkts Rechnung trägt. Durch dieses Objekt, diesen Ort wird, im Gedanklichen Kontext der Abbildung des Raumes, die Bühne definiert. Zum anderen benötigt ein solches Bezugssystem bestimmte, im Bezug auf den genannten Koordinatenursprung, quantitativ vergleichbare, beziehungsdefinierende Eigenschaften. Diese Eigenschaften können wir, im Gedanklichen Kontext der Abbildung des Raumes, auch als Frame – als Rahmen bezeichnen.
Im Falle der von Löw erwähnten geografisch markierten Platzierung würde also das geografische System als Bühne und dementsprechend der Schnittpunkt von Äquator und Nullmeridian als, die Bühne definierenden, Nullpunkt Anwendung finden. Dem geografischen System entsprechend, könnte ein möglicher Frame dieses Bezugssystem aus Längen- und Breitengraden bestehen.
Menschen und Güter werden also an Orten platziert und definieren dadurch einen Raum. Dieser Raum ist nach Löw allerdings auch immer das Ergebnis einer Syntheseleistung. Diese Leistung erfasst die „Wahrnehmungs-, Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse, durch die Güter und Menschen zu Räumen zusammengefaßt werden“ (Löw 2001, S.230). Solch Syntheseleistungen werden allerdings nicht nur von Menschen ermöglicht, sondern auch durch institutionalisierte Raumstrukturen:
„In den über elektronische Vernetzungen entstehenden Konfigurationen werden ununterbrochen Informationen übertragen (…). Über die Vernetzung entwickelt sich ein eigener Raum, der nicht nur als virtueller in Erscheinung tritt, sondern auch in seiner Lokalisierung spezifische städtische Räume hervorbringt, die sich in ihren Strukturen von anderen städtischen Räumen grundlegend unterscheiden. (…) Daraus folgt, daß der Wandel der räumlichen Vergesellschaftung nur dann erfaßt werden kann, wenn Raum nicht als Hinter- oder Untergrund des Handelns verstanden wird, sonder Raum in den Handlungsverlauf eingerückt wird. Die Konstitution verschiedener Räume an einem Ort muß denkbar werden. Neben der Plazierungsfähigkeit, die sich aus dem raumkonstituierenden Handeln ergibt, muß Menschen, sollen die einzelnen ‚Inseln‘, Menschen an anderen Orten, ferne Städte etc. nicht länger fragmentiert und unverknüpft erscheinen, eine Synthesefähigkeit zugesprochen werden. Diese (institutionalisierten) Synthesen werden (…) als wechselwirkend mit Spacing-Prozessen verstanden.“ (Löw 2001, S.268)
Diese hier von Löw angesprochene Synthese des Raumes durch institutionalisierte Vernetzung legt die Interpretation nahe, dass der soziale Raum vor allem auch durch die Geschwindigkeit des Informationsaustausches konstituiert wird. Elektronische Vernetzung ermöglicht die erhöhte Übermittlungsgeschwindigkeit von Informationen. Somit ist die Information im synthetisierten Raum ’näher‘. Um diese synthetisierten Räume also in eine Abbildungen zu übersetzen, wollen wir die räumliche Distanz der Abbildung, der zeitlichen Distanz der sozialen Objekte zueinander, also der Dauer entsprechend festlegen. Somit ergibt, mit der Synthese des Raumes durch Vernetzung, als mögliche beziehungsdefinierende Eigenschaft des sozialen Objekts im Raum, die Dauer. Die Abbildung der Dauer wiederum verlangt nach der Zeit als eindimensionales Bezugssystem, welches einen bestimmten quantitativen zeitlichen Bezugspunkt, als Nullpunkt, voraussetzt.
Da eine solche Synthese des Raums, wie Löw im oben zitierten Absatz erwähnt, immer in einer Wechselwirkung mit dem Spacing-Prozess steht, muss als Bezugspunkt, als Koordinatenursprung, als Nullpunkt des synthetisierten Raums, nun ein bestimmtes, den ‚übergeordneten‘ Raum durch Platzierung (Spacing) konstituierendes, soziales Objekt verwendet werden. Die so durch Synthese und Platzierung konstituierten Räume können somit nebeneinander und auch ineinander Existieren.
„Da die meisten sozialen Güter und alle Menschen gleichzeitig Elemente sind, aus denen ein Raum gebildet wir, und (aus einer anderen Perspektive) selbst Raum sein können, ist der Blickwinkel des Synthetisierenden jeder Raumkonstruktion immanent.“ (Löw 2001, S.229)
Bei der Synthese eines Raums wird also, um es entsprechend der Abbildungsintention dieser Räume zu denken, eine neue Bühne auf dem Bezugspunkt des konstituierenden, und damit im übergeordnet Raum platzierten, sozialen Objekts geschaffen.
Die Bühne als zugrundeliegender Raum der Abbildung von Räumen
Die Bühne ist also nichts anderes als ein durch Synthese entstandener Raum der sich durch eben diese Synthese und die Platzierung (Spacing) bestimmter relevanter Objekte darin konstituiert.
Da der Raum selbst ein rein relationales Konstrukt ist wird Abbildung desselben durch ein Koordinatensystem realisiert, welches die repräsentativen Orte der platzierten und miteinander in Bezug stehenden Objekte darstellen kann. Als notwendigen Koordinatenursprung wird ein relevanter Ort oder ein relevantes Objekt in der dargestellten Wirklichkeit herangezogen. Ein solches relevantes Objekt ist beispielsweiße das jeweils den Raum synthetisierende. Ein relevanter Ort kann ein, durch gesellschaftliche Konventionen entstandener Bezugspunkt der im Frame definierten beziehungsdefinierenden Eigenschaften sein kann. Ein solcher Bezugspunkt wäre bei einer, auf der beziehungsdefinierenden Eigenschaft der Temperatur aufgebauten, Bühne, die den gedanklich synthetisierten Raum des Thermometers abbilden soll, beispielsweiße der Punkt ‚0° Celsius‘.
Problematisiert werden sollte, dass ein Objekt zu einer Eigenschaft in Wirklichkeit mehrere unterschiedliche Werte zur gleichen Zeit haben könnte. Bei einem ortsbezogenen System müsste ein physikalisches Objekt beispielsweiße, alleine schon aufgrund von dessen räumlicher Ausdehnung, abhängig von der Form und Größe des Objekts, mehrere unterschiedliche Bezugspunkte aufweisen. Somit würde ein soziales Gut währen dem Spacing nicht, wie von Löw beschrieben, an einem Ort platziert werden, sondern einen bestimmte Raum mit bestimmten örtlichen Grenzen einnehmen. Da Löw allerdings betont, das jedes soziale Objekt selbst auch wiederum Raum sein kann, wollen wir für ein bestimmtes Objekt auch immer nur einen fest definierten repräsentativen Punkt annehmen. Die räumliche Ausdehnung des Objekts kann durch eine neuen Synthese die den vom Objekt selbst definierten Raum beschreibt, gezeigt werden.
Erweiterung des Datenbankmodells um Bühne und Frame
Das Datenbankmodell zur Erfassung von Bühnen Frames und den Objekten darauf stellt sich aus eben diesen drei Grundsätzlichen Tabellen zusammen: Bühne, Frame und Objekt. Dabei setzt sich die Bühne wie oben in der Theorie auch schon beschrieben, aus einem Bezugspunkt, einem verwendeten Frame und den darauf befindlichen Objekten zusammen.
Ein Frame ist in diesem Zusammenhang eine frei definierbare, meist wohl thematische Sammlung von Eigenschaften. Da ein Frame mehrere Eigenschaften beinhalten kann, und eine einzelne Eigenschaft auch in mehreren unterschiedlichen Frames vorhanden sein kann, fordert die Normalisierung relationaler Datenbanken eine Zwischentabelle welche hier FrameEigenschaften genannt wurde. Der gleichen Problematik wurde durch die Tabellen BühnenObjekt und ObjektEigenschaften Rechnung getragen.
Die weiteren Bestandteile der Bühne sind die darauf vorhandenen Objekte, die sich durch die Deckung derer Eigenschaften mit dem verwendeten Frame erst für die Präsenz auf der Bühne qualifizieren. Aus diesem Grund ist die Objekt Tabelle durch eine Zwischentabelle ‚ObjektEigenschaften‘ mit den selben Eigenschaften verknüpft, welche auch die Frames definiert.
Ein weiteres Objekt auf der Bühne ist nun der Bezugspunkt, der in einer eigenen Zwischentabelle von Objekt und Bühne erfasst wird. Wie es der Name schon sagt hat eine Bühne eben genau einen Bezugspunkt der den Nullpunkt des zur Abbildung verwendeten Koordinatensystems darstellt. Dieser Bezugspunkt bedingt außerdem die Auswahl der für diese Bühne vorhandenen Frames und den damit abgebildeten Eigenschaften.
Löw, Martina [2001] (2012). Raumsoziologie. 7. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2012